Nachhaltigkeit und Mobilität in der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie

Nachhaltigkeit

young leaders Akademie! – Sammelbecken der jugendlichen Bildungselite

Wo findet man heutzutage die Führungsetage von morgen? Die young leaders GmbH will hierauf eine eindeutige Antwort geben. Die 81. young leaders Akademie fand im Herzen Paderborns im Heinz- Nixdorf MuseumsForum Anfang April 2024 statt. In sieben Tagen und sieben Nächten wurde dort den 100 hochengagierten und verantwortungsbewussten Jugendlichen aus ganz Deutschland ein umfangreiches Programm an diversen Vorträgen und Trainings geboten. Ob Schülersprecher, Jugendparlament-Abgeordnete, Projektleiter, etc. – die Teilnehmer hatten es in sich und wiesen enormes Engagement in den Bereichen Politik und Wirtschaft auf. Die Themen: Nachhaltigkeit, Mobilität, Digitalisierung und Philosophie, aber auch Körpersprache sowie Unternehmertum. Die Vision von Verena Bauer, der Präsidentin der young leaders GmbH, ist es, diesen Jugendlichen inklusiv hochkarätige Bildung der Topklasse zu bieten und Spitzenvertreter aus den unterschiedlichsten Gebieten einzuladen. Die wirkliche Magie entfaltete sich dann allerdings im rhetorisch anspruchsvollen Diskurs der Jugendlichen untereinander, wo die aufgesogenen Informationen unter eloquentem Fachjargon in wertvolles Wissen gegossen wurden.

Der BDSV e.V. stellt sich bei der young leaders Akademie mit einer wichtigen Botschaft vor

Auch vertreten – Der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. Ein Lobbyverband, der sich im politischen und industriellen Diskurs mit den relevantesten Fragen der aktuellen Verteidigungspolitik und deren Auswirkungen auf die Rüstungsindustrie auseinandersetzt. Repräsentiert durch die Referentin Charline Runge, entlud der BDSV seine Botschaft an die junge Generation: „Sicherheit ist die Mutter aller Nachhaltigkeit“. Nach Artikel 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte hat jeder Mensch Anspruch auf eine Lebenshaltung, die sein Wohlbefinden einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztlicher Betreuung und der notwendigen Leistungen der sozialen Fürsorge gewährleistet. Wer nun aktuell auf die Ukraine blickt, wird sofort zustimmen, dass jeder Krieg allen diesen Werten, aber auch dem Schutz der Umwelt, den Boden entzieht. Die Vermeidung von Krieg ist und bleibt also der entscheidende Hebel, um Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Deutschland muss also für Krisenzeiten gewappnet sein, d. h. es braucht eine Resilienzwirtschaft, die Krieg, Pandemien und Naturkatastrophen trotzt, und eine klarere Planbarkeit für die Verteidigungsunternehmen. Außerdem: Mehr Abstimmung zwischen Bundeswehr und Industrie, mehr europäische Zusammenarbeit und mehr qualifiziertes Personal für eine angestrebte Erhöhung der Produktionskapazitäten. Zudem sagt die Referentin, Sicherheit und Verteidigung könne auch folgendermaßen sein: „jung, bunt und weiblich“.

Hinter den Toren des Bundesverbandes der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie – BDSV e.V. – ein transparenter Einblick in die sagenumwobene Rüstungsindustrie

Ich wollte mehr wissen und besser verstehen. Wie tickt diese Branche? Womit beschäftigt sich ein Rüstungsverband? Von der young leaders Akademie frisch in die Welt entlassen, entschied ich mich dazu, im Mai die Hauptstadt Deutschlands zu bereisen, um dort ein dreiwöchiges Praktikum beim BDSV e.V. zu absolvieren. Der Praktikumsort? Das Atrium im Zentrum Berlins.

Rüstungslobbyisten sind Männer in dunklen Anzügen mit einem schwarzen Aktenkoffer. Weit gefehlt. Die vor Ort sitzenden Referentinnen und Referenten waren nämlich wirklich jung, oft weiblich und teilweise mit einem internationalen Hintergrund. Überrascht haben dann auch die große Themenvielfalt, die mir begegnete: Nachhaltigkeitsthemen und Regularien zur Beschaffung von Ausrüstung für die Bundeswehr, Exportkontrollen, die Organisation von Messen und Veranstaltungen, Preisrecht oder die Öffentlichkeitsarbeit wurden während meines Praktikums an mich herangetragen. Meine Aufgaben bestanden zumeist aus Recherche, Unterstützung des Social-Media-Managements oder der Begleitung der Referenten auf Messen und Veranstaltungen.

Abschließend konnte ich noch ein kurzes Interview mit dem Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Dr. Hans Christoph Atzpodien, zu zwei Kernthemen führen, die mir bei der 81. young leaders Akademie gesetzt wurden: Nachhaltigkeit und Mobilität.

Raphael Cullmann: Wieso ist Sicherheit die Mutter aller Nachhaltigkeit?

Atzpodien: Dieser Spruch geht zurück auf eine bestimmte Geschichte, die mit dem Green Deal der EU-Kommission zusammenhängt. Der Green Deal, der seit 2018/2019 existiert, sollte die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN (Sustainability Goals) aus dem Jahr 2015 für die EU und ihre Mitgliedsstaaten umsetzen. In der UN-Resolution von 2015 (Resolution 70/1) wird Frieden als Bedingung für Nachhaltigkeit genannt.

Diese Verbindung ging jedoch in der Umsetzung des Green Deals verloren. […] Das führte dazu, dass Richtlinien entwickelt wurden, wie die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR), die dem Finanzsektor vorschreibt, wie er die Realwirtschaft in Bezug auf Nachhaltigkeit einordnen und bewerten soll. Vor dem Ukraine-Krieg distanzierten sich viele Banken von der Rüstungs- und Waffenindustrie, da diese nicht mit dem Konzept der Nachhaltigkeit vereinbar schienen.

Dann brach im Februar 2022 der Ukraine-Krieg aus und zeigte auf tragische Weise, dass Krieg das Gegenteil von Nachhaltigkeit ist. Nachhaltigkeit, wie im Brundtland-Bericht von 1987 definiert, bedeutet die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen für die Gegenwart und zukünftige Generationen.

Cullmann: Welche Interessen vertritt der BDSV e.V. hinsichtlich Nachhaltigkeit und Mobilität?

Atzpodien: Also im Hinblick auf Nachhaltigkeit vertreten wir das Interesse, dass die Aktivitäten unserer Mitglieder nicht als Gegensatz zur Nachhaltigkeit gesehen werden. Hierbei muss man zwei Themenblöcke unterscheiden: Die Arbeitsweise der Industrie und die hergestellten Produkte.

Zum einen wollen wir als Industrie auf klimaneutrales, nachhaltiges Arbeiten hinarbeiten, wie alle anderen Industrien auch. Wir unterliegen denselben Regularien und Anreizen und bemühen uns gleichermaßen um klimaneutrale Arbeitsweisen. Wir waren der erste Verband innerhalb des BDI, der für seine Mitglieder ein einheitliches System zur Umsetzung des deutschen Lieferketten- Sorgfaltspflichtengesetzes geschaffen hat, in Zusammenarbeit mit einem marktführenden Dienstleister.

Der zweite Themenblock betrifft die Produkte unserer Unternehmen, nämlich Rüstungsgüter und Waffen. Hier gibt es wiederum zwei unterschiedliche Kriterien: Den klimafreundlichen Aspekt und die ethische Dimension. Waffen und Rüstungsgüter können aufgrund ihrer Natur nicht einfach elektrifiziert oder klimafreundlich gemacht werden, ohne ihren eigentlichen Zweck zu gefährden. Wir haben ein Plädoyer für einen “olivgrünen Deal” verfasst, ein Spezialkapitel zum Green Deal, das genau darauf eingeht.

In Bezug auf die ethische Dimension argumentiere ich, dass bestimmte Waffen in den richtigen Händen und unter dem richtigen Ordnungsregime dazu beitragen, Frieden und Sicherheit zu wahren. […]

Was die Interessen des BDSV hinsichtlich Mobilität angeht, so orientieren wir uns an den Bedürfnissen unserer Kunden. Militärische Mobilität ist ein wesentliches Element des Einsatzzwecks, und die Einsatzrandbedingungen lassen es nicht zu, auf alternative Antriebe umzusteigen. Flugzeuge und Panzer benötigen eine bestimmte Energiedichte, um ihren Zweck zu erfüllen, und diese kann derzeit nur durch fossile Brennstoffe oder synthetische Kraftstoffe erreicht werden. Es gibt NATO- Vorschriften und naturwissenschaftliche Grenzen, die diesen Punkt betreffen.

Es gibt jedoch auch Bereiche, in denen grüne Technologien vorteilhaft sind, wie zum Beispiel bei der Ausrüstung moderner Infanteristen. […] Ein modernes Beispiel wäre ein Infanterist, der verschiedene Elektrogeräte bei sich trägt. Dazu zählen Kameras, Scheinwerfer und Hilfsmittel für die Schießunterstützung. Außerdem hat er einen Laptop, auf dem er seine Kameraden im Blick behalten kann. All diese Geräte benötigen eine zuverlässige Stromquelle. Der Infanterist der Zukunft wäre daher besser ausgestattet, wenn er eine Brennstoffzelle in seinem Rucksack hätte, die ihm eine längere Energieversorgung bietet, im Vergleich zu herkömmlichen Batterien oder der Abhängigkeit von Steckdosen. Es gibt zwar auch andere Fälle, aber diese sind eher die Ausnahme.

Von der young leaders Akademie zu mir, von mir zum BDSV e.V. und vom BDSV e.V. zu Ihnen, liebe Leserinnen und Leser. Auf der einen Seite möchte ich Ihnen die unglaublichen Möglichkeiten aufzeigen, die einem bei young leaders geboten werden, und die einzigartigen Einblicke, die man dort erhält. Auf der anderen Seite möchte ich die Wichtigkeit von Sicherheit in Bezug auf Nachhaltigkeit betonen, mit Klischees aufräumen und deutlich machen, vor welchen Herausforderungen wir im Bereich Sicherheit und Verteidigung in der Zukunft stehen werden. Zudem bedanke ich mich herzlich beim BDSV e.V. und bei Dr. Atzpodien für das aufschlussreiche Interview.

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