Schmidt-Salomon nimmt “Megablödheit” aufs Korn

Lesung und Diskussion beim Linken Forum Paderborn

In seiner jüngsten Streitschrift „Keine Macht den Doofen!“ hat der Philosoph, Publizist und Sprecher der Giordano-Bruno-Stiftung Michael Schmidt-Salomon seine grundlegende Kritik an den Religionen ausgeweitet auf die Felder der Ökonomie oder der Politik.

In guter Aufklärungstradition scharfzüngig und polemisch zugespitzt attackierte Schmidt-Salomon bei einer sehr gut besuchten Lesung beim Linken Forum Paderborn Dogmatismen und fundamentalistische Denkgewohnheiten in ihren verschiedenen Spielarten. Sein Fazit: Dummheit habe heutzutage „epidemische Ausmaße“ angenommen, der Irrsinn sei so allgegenwärtig, „dass er als solcher nicht mehr zu erkennen ist.“

Beispiel Religion: Zwar stimme es, dass die meisten Noch-Gläubigen in unseren Breitengraden die Religionen nicht mehr sonderlich ernst nähmen und sich „eine Transformation des Christentums in eine harmlose Pseudoreligion mit folkloristischem Charakter“ vollzogen habe. Jedoch, warnt der Philosoph, sollten wir uns davor hüten, von unserem seichten „religiösen Musikantenstadl“ auf weltweite Verhältnisse zu schließen. „Was wahre Religiotie bedeutet, das zeigt sich schon in den USA: Wenn US-amerikanische Evangelikale von „Auferstehung“, „Schöpfung“, „Himmel“, Hölle“, „Gott“ und „Teufel“ sprechen, dann sind das für sie keine unverbindlichen Metaphern – nein, diese Leute meinen wirklich, was sie sagen!“ Da sei es nicht mehr weit, an eine finale Schlacht zwischen Gut und Böse, Gott und Teufel zu glauben, die unmittelbar bevorstehe – von den solchen „apokalyptischen Spinnern“ zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten hätten frühere Gotteskrieger allerdings nur träumen können.

Beispiel Ökonomie: Die so genannte „geplante Obsoleszenz“, das heißt das kalkulierte Unbrauchbarmachen von Produkten nach einer Verfallszeit durch die Hersteller, nennt Schmidt-Salomon „an Hirnrissigkeit kaum zu überbieten“. Die Methode, die Produktdesigner schon ihrer Ausbildung lernten, sei zwar betriebswirtschaftlich gesehen als clever zu bezeichnen, aber: „Kein Mensch käme allein auf den Gedanken, wertvolle Ressourcen zu erobern, um sie dann innerhalb kürzester Zeit in wertlose Müllberge zu verwandeln.“ Auch beim Umgang mit Geld lasse sich „Schwarmdummheit“ feststellen: Statt dafür zu sorgen, dass Geld eine stabile, transparente und neutrale Verrechnungseinheit sei, mutiere es in den Händen der Finanzspekulanten zur Handelsware schlechthin. Die „kreative Leistung“ der Finanzjongleure bestehe darin, den „in der Warenfunktion des Geldes enthaltenen Wahnsinn auf die Spitze zu treiben.“

Beispiel Politik: Hier scheint sich leider der alte Sponti-Spruch zu bewahrheiten, dass, wenn Wahlen etwas ändern würden, sie längst verboten wären. Nachdenkliche, kreative und empathische Menschen hätten, so Schmidt-Salomon, im Parteienbetrieb kaum Platz, denn: „Wie könnte auch ein origineller, phantasievoller, sensibler Mensch all den Stumpfsinn, all die Kleingeistigkeit, all den Zwang zu opportunistischer Heuchelei überstehen?“ Die Politiotie unserer Tage bezeichne die alle anderen Formen des Schwachsinns umfassende „Megablödheit“.

Und so sieht der wahlmüde gewordene Humanist Schmidt-Salomon politische Alternativen einzig bei Protestbewegungen von unten, wie sie sich etwa bei Attac, bei der kapitalismuskritischen Occupy-Bewegung, in den zahlreichen Umweltgruppen oder bei dem basisdemokratischen Netzwerk „Mehr Demokratie e.V.“ vermehrt formieren. Die ihnen gemeinsame Forderung könnte lauten: „Schaffen wir die Voraussetzungen dafür, dass die Macht der Doofen gebrochen werden kann!“

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