Flüchtlingshilfe Lippe verlässt ZUE Oerlinghausen
Die ZUE Oerlinghausen ist seit Wochen in der Kritik. Jetzt wird es ab März 2018 hier auch keine unabhängige Beratung für Geflüchtete durch die Flüchtlingshilfe Lippe e.V. mehr geben.
Nach Konflikten mit der Bezirksregierung Detmold und dem Flüchtlingsministerium von Nordrhein-Westfalen stellt sich der Verein, der Mitglied der Diakonie ist, auf ein Ende der Förderung durch das Land ein. Vier Mitarbeitende werden aufhören.
"Unsere Beratung wird wohl als zu engagiert und unbequem wahrgenommen, und wir haben auf bestehende Missstände hingewiesen" so beschreibt Pfarrer Dieter Bökemeier, Co-Vorsitzender der Flüchtlingshilfe Lippe seine Sicht der Gründe. "Die Perspektive unseres Vereins ist klar auf das Recht der Geflüchteten ausgerichtet. Das Flüchtlingsministerium aber wirft Mitarbeiterinnen unseres Vereins Illoyalität gegenüber dem Land vor." Begründet wird dies u.a. mit der Benennung von Missständen in der Unterkunft durch eine Mitarbeiterin in einem WDR-Beitrag. Zum zweiten geht es um missverstandene Äußerungen bei einer Dienstbesprechung im Oktober. Der Versuch einer Klärung wurde von zuständiger Stelle bei der Bezirksregierung Detmold erst gar nicht unternommen. Das Ministerium entschied ebenfalls einseitig und ohne Klärungsversuch.
So wird zwei angestellten Mitarbeiterinnen der Flüchtlingshilfe Lippe ausdrücklich verweigert, nach dem Februar weiter in der landesgeförderten Asylverfahrensberatung zu arbeiten. Wohl aus Sorge z.B. vor möglichen gerichtlichen Klagen der Geflüchteten wurde auch einem anderen erfahrenen Mitarbeiter des Vereins verwehrt, die Beratungsarbeit stattdessen zu übernehmen, um vor Ort neue Mitarbeitende einzuarbeiten.
Der Vorstand der Flüchtlingshilfe Lippe e.V. kritisiert dieses Vorgehen des Ministeriums scharf und stellt sich ausdrücklich hinter sein gesamtes Team in Oerlinghausen: "Das sind alles integere, kompetente und engagierte junge Menschen, die sich immer auch um transparente Zusammenarbeit bemüht haben. Ich hätte mir vorher nicht vorstellen können, wie verletzend hier mit ihnen umgegangen worden ist", sagt Irmingard Heine vom Vorstand des Vereins.
Unsers Wissens ist dies das erste Mal, dass das Land NRW so massiv in Personalentscheidungen von unabhängigen Beratungsträgern eingreift. Der Verein sieht dahinter die Absicht, einen unbequemen Fürsprecher für die Geflüchteten aus der ZUE Oerlinghausen hinaus zu drängen. Wir bedauern dieses Ende gerade im Blick auf die Geflüchteten sehr, die nun zumindest für einige Zeit keine unabhängige Beratung mehr an ihrer Seite haben werden. Auch das so genannte Beschwerdemanagement durch die Flüchtlingshilfe Lippe endet demnächst. Wann ggf. ein anderer Träger die Aufgaben neu beginnen kann ist ungewiss.
Hintergrund des erhöhten Drucks auf die VerfahrensberaterInnen in der Einrichtung scheint auch die neue Ausrichtung der Asylpolitik von Land und Bund zu sein. Menschen mit zugesprochener "schlechter Bleibeperspektive" werden an einem Ort konzentriert und unterliegen einem "beschleunigten Asylverfahren". Hier steht nach Kritik vieler Flüchtlingsunterstützer die Förderung der Ausreise im Vordergrund, nicht mehr das Recht des Einzelnen auf ein faires Asylverfahren oder die Identifizierung und der Schutz von besonders verletzlichen Personen unter den Geflüchteten.
Entsprechend erschwert sind auch die Bedingungen für die Flüchtlingsberatung und das Beschwerdemanagement. Letzteres war landesweit eingeführt worden, nachdem 2014 in Burbach Misshandlungen von Flüchtlingen bekannt geworden waren. In der ZUE Oerlinghausen trugen über dieses Beschwerdemanagement BewohnerInnen eine Vielzahl an Beschwerden und Sorgen an die Flüchtlingshilfe Lippe e.V. heran. Sie nannten anhaltende Missstände in den Bereichen medizinische Behandlung und psychologische Stabilisierung, Versorgung mit Kleidung und Essen, Sicherheit und Schutz, Hygiene und Sauberkeit, Beschäftigungsangebote sowie Kommunikation und Transparenz in der Einrichtung. "Uns ist aufgefallen , dass die gleichen Beschwerden trotz der Weiterleitung an die zuständigen Stellen immer wieder bis zuletzt geäußert wurden", so Andreas Zuckmayer, der für das Beschwerdemanagement tätig war.
Subjektiv ist der Eindruck entstanden, dass es in der ZUE Oerlinghausen allgemein besonders viele Beschwerden gab. Aber auch ein Vergleich der Beschwerdezahlen zwischen den verschiedenen Regierungsbezirken wäre u.E. wichtig.
Allgemein ist zu sagen: In den Medien wurden in den letzten Wochen viele Sorgen von Oerlinghausener BürgerInnen thematisiert. Wichtig ist uns in diesem Fall aber auch die Sicht der Geflüchteten. Die Flüchtlingshilfe Lippe spricht sich jedenfalls gerade nach den jetzigen Erfahrungen grundsätzlich gegen die Einrichtung von gesonderten Sammelunterkünften für Menschen mit sogenannter "geringer Bleibeperspektive" aus.
Als Flüchtlingshilfe Lippe e.V. werden wir weiter konsequent für die Rechte Geflüchteter einstehen. Das sehen wir als unsere Aufgabe. Wir suchen auch noch nach der Möglichkeit, eventuell mit einem sehr kleinen ehrenamtlichen Beratungsangebot außerhalb der ZUE einige wenige Löcher zu stopfen.
Der Verein Flüchtlingshilfe Lippe e.V. wurde im Jahr 2005 von Aktiven aus Kirche und Gesellschaft gegründet und berät seitdem Geflüchtete in vielen lippischen Kommunen. Er hat seit 2014, dem Beginn der Unterbringungseinrichtungen für Flüchtlinge in Oerlinghausen und auch in der Adenauerstraße in Detmold, hier die Asylverfahrensberatung übernommen. Noch bevor es eine Landesförderung gab, geschah dies mit Sondermitteln der Lippischen Landeskirche. Die Flüchtlingshilfe Lippe ist als evangelischer Träger Mitglied im Diakonischen Werk Rheinland-Westfalen-Lippe.