Hamideh Mohagheghi beim Linken Forum

„Koran enthält keine dogmatischen Aussagen“

Paderborn. Mit einer sehr gut besuchten Veranstaltung setzte das Linke Forum Paderborn seine Reihe zum Thema Religion und Gewalt fort, diesmal am Beispiel der heiligen Schrift der Muslime, dem Qur`an (Koran). Die in Teheran gebürtige islamische Theologin und Teilnehmerin an der zweiten Deutschen Islamkonferenz, Hamideh Mohagheghi, räumte ein, dass es im Qur`an wie in allen anderen Heiligen Büchern Textstellen gebe, die als Gewalt fordernde Aussagen interpretiert werden könnten.

Als ein zentrales Zitat über den gewaltförmigen Umgang mit „Ungläubigen“ werde häufig eine Passage (Vers 190 ff.) aus der 2. Sure angeführt: „Und kämpft auf dem Weg Gottes gegen die, die euch bekämpften! (…) Tötet sie, wo immer ihr sie antrefft, und vertreibt sie, von wo sie euch vertrieben haben!“ Mohagheghi betonte, dass der zitierte Passus aus der späten medinensischen Periode (628-630 n. u. Z.) nur im Kontext der Ereignisse zur Zeit seiner Entstehung verstanden werden könne. Der historische Hintergrund betreffe Konflikte zwischen den frühen Muslimen und den andersgläubigen Mekkanern im Zusammenhang mit der für die Anhänger Muhammads verbindlich gewordenen Pilgerfahrt nach Mekka, von wo aus sie gewaltsam vertrieben worden waren. Die teils drastischen Formulierungen seien zu verstehen als „Erinnerung daran, dass die Mekkaner die Muslime im Jahre 622 vertrieben hatten“, erläuterte Mohagheghi. Im Fortgang der zitierten Textstelle werde ausgeführt, dass, auch wenn Gewalt notwendig werde, Regeln und ethische Werte beachtet werden müssten, die selbst in Konfliktsituationen unbedingt einzuhalten seien. An so etwas wie „Bekehrung“ beim Streit um die „Sache Gottes“ sei in keinem Fall gedacht: Die Idee einer Zwangsmissionierung Andersgläubiger sei dem Geist des Qur`an fremd.

Auf eine textkritische Lesart, so Mohagheghi, verpflichte der Qur`an die Gläubigen selbst an vielen Stellen: „Der Qur`an ist kein Gesetzbuch, seine Inhalte sind keine starren dogmatischen Aussagen, an die – ohne Fragen zu stellen – nur geglaubt werden muss.“ Die vom Qur`an ausgehende Aufforderung zur kritischen Auseinandersetzung und zum Weiterdenken habe in der islamischen Gelehrtenwelt selbst eine lange Tradition.

Dennoch seien Religionen nicht davor geschützt, extrem und fanatisch gedeutet und gelebt zu werden, diese Realität begleite die Menschen stets und fordere sie heraus, entschieden dagegen vorzugehen. Mohagheghi: „Gerade die Gläubigen müssen sich angesprochen fühlen, wenn ihr Glaube missbraucht und zweckentfremdet gedeutet wird.“ – Das fand Zustimmung in der lebhaften Diskussion – und zwar konfessionsübergreifend.

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