32 Jahre für Jugendliche mit Handicaps eingesetzt

Ludger Lamping nimmt Abschied als Geschäftsführer des IN VIA St. Lioba Berufsförderzentrums.

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Ludger Lamping nimmt Abschied als Geschäftsführer des IN VIA St. Lioba Berufsförderzentrums in Paderborn. Rund 3.000 junge Menschen hat er seit 1988 qualifiziert, darunter (von links) Julia Westerhellweg, Lara Kampmann und Julian Peitz.

Paderborn. Als Ludger Lamping im September 1988 Leiter des IN VIA St. Lioba Berufsförderzentrums in Paderborn wurde, war die Welt noch in Ost und West geteilt. Globalisierung und Digitalisierung lagen in weiter Ferne, ebenso Minijobs und Hartz IV. Eine heile Welt war diese Arbeitswelt trotzdem nicht. Die Arbeitslosenquote hatte Mitte der 80er in der alten Bundesrepublik nach Jahren der Vollbeschäftigung Rekordwerte erreicht. Vor allem die Jugendarbeitslosigkeit bot Anlass zur Sorge. Junge Menschen mit persönlichen und sozialen Handicaps drohten auf der Strecke zu bleiben. 32 Jahre später hat sich daran nichts geändert. „Ohne professionelle Unterstützung wird es für viele Betroffene schwer, den Start in die Arbeitswelt zu schaffen“, ist sich Ludger Lamping (63) sicher.

Wenn er Ende März 2020 in den Ruhestand geht, kann er eine beeindruckende Bilanz vorlegen. Mehr als 85 Prozent der Jugendlichen, die jährlich im St. Lioba Berufsförderzentrum an einer berufsvorbereitenden Maßnahme teilnehmen, werden in ein Ausbildungsverhältnis vermittelt; rund 3.000 junge Menschen hat Ludger Lamping seit 1988 mit seinem Team in unterschiedlichen Maßnahmen qualifizieren und begleiten können. In der regionalen Wirtschaft genießt die Einrichtung einen hervorragenden Ruf. Die Qualifizierung stimmt nicht nur „fachlich“ in den angebotenen Arbeitsfeldern von Handwerks- und Dienstleistungsberufen, sondern vor allem auch menschlich.

Von Anfang an hat sich die 1976 gegründete Einrichtung auch als sozialpädagogisches Angebot gesehen. Statt erhobener Zeigefinger und moralischer Appelle greifen moderne pädagogische Konzepte. „Wir vereinbaren mit jedem Jugendlichen individuelle Entwicklungsziele“, betont Lamping. Nur ganzheitlich – im beruflichen und persönlichen Weiterkommen – könne so etwas wie das Gefühl von Selbstwirksamkeit geweckt werden. Für Lamping ist dies der Schlüssel, um gerade Jugendliche voranzubringen, die in ihrem bisherigen Leben immer wieder scheiterten, als Versager abgestempelt wurden. Es ist auch der Schlüssel für junge Leute, die sich heute lieber mit einer Hartz-IV-Zukunft zufrieden geben wollen.

Selbstwirksamkeit erzeugen – dafür geht Lamping auch schon mal ungewöhnliche Wege. So bauten die Jugendlichen des Berufsförderzentrums im Jahr 2017 ein großes Haus- und Wanderboot, mit dem mehrtägige Touren auf Weser und Mittellandkanal möglich sind. Im Teamwork an die eigenen Grenzen gehen und dazu noch das ökologische Bewusstsein schärfen, dies waren Ziele des Projektes. Der positive Effekt ist nicht ausgeblieben. „Stolz wie Oskar“ seien die Jugendlichen, wenn bei Bootstouren anerkennende Reaktionen anderer Wassersportler oder Ausflügler kommen.

Lamping ärgert es, dass der Stellenwert der Jugendberufshilfe in der Politik in den letzten Jahren abgenommen hat. Die politisch gewollte Verlagerung von Qualifizierung in die Wirtschaft könne nur teilweise gelingen. „Gerade kleine Betriebe, die unter Produktionsdruck stehen, haben gar nicht die Zeit, sich um die persönlichen Probleme von benachteiligten jungen Mitarbeitern zu kümmern.“ Auch die „von heutigen Finanzaristokraten“ wiederbelebte neoliberale Grundstimmung würde die Leistung der lebensbejahenden Zuwendung der Jugendberufshilfe in Frage stellen. „Es wird gerne behauptet, dass jeder Mensch nur hart an sich arbeiten müsse, um im Leben voran zu kommen.“ Dass jeder seines Glückes Schmied ist, könne nur die halbe Wahrheit sein, denn „mal verliert man und mal gewinnen die anderen“.

Zur ganzen Wahrheit gehöre auch die Tatsache, dass viele junge Menschen mit Handicaps oder gebrochenen Biografien nicht auf der Sonnenseite des Lebens groß werden durften. Bei ihnen müssten für unsere Gesellschaft so elementare Haltungen wie solidarisches oder auch ökologisches Handeln besonders gefördert werden: „Für eine auf Solidarität angewiesene Gesellschaftsordnung ist Jugendberufshilfe unverzichtbar.“

Foto: cpd / Jonas

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