Vorsicht, wenn Haushersteller Sicherheiten verlangen!

BERLIN. „Die Vergütung ist bei der Abnahme des Werkes zu entrichten“ so steht es im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB, §641). Baufirmen müssen also erst das Haus bauen, bevor sie ihr Geld bekommen. Kaum eine Baufirma hat aber genug Kapital, um über Monate Mitarbeiter zu bezahlen und Material zu kaufen. Deshalb stellen die Firmen zwischendurch immer wieder Abschlagsrechnungen und mildern so ihre Vorleistungspflicht.

Schlüsselfertiganbieter regeln das über Abschlagszahlungspläne in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). „Das ist übliches Prozedere“, erläutert Holger Freitag, Vertrauensanwalt des Verbands Privater Bauherren (VPB). „Allerdings sollten Bauherren immer darauf achten, dass die Zahlungspläne ausgewogen sind und sie nicht unfreiwillig in Vorleistung gehen.“

Ein besonderer Fall sind Fertighäuser. „Fertighäuser“ – nicht zu verwechseln mit „Schlüsselfertighäusern“ – sind Häuser, die in einem Spezialbetrieb weitgehend und sehr detailliert vorfabriziert werden, dann zur Baustelle transportiert und dort innerhalb weniger Tage montiert werden. „Fertighaus“ ist ein bautechnischer Begriff, „schlüsselfertig“ dagegen bezeichnet den Inhalt des Bauvertrags.

Weil Fertighausfirmen das Haus vorproduzieren und es erst ganz zum Schluss auf die Baustelle liefern, gehen die Fertighaushersteller finanziell stark in Vorleistung und haben in der kurzen Bauzeit auch zeitlich kaum Gelegenheit, adäquate Abschläge in Rechnung zu stellen. Sie müssen sicher sein können, dass die Bauherren liquide sind und das bestellte Haus zum Schluss auch bezahlen können.

„Deshalb lassen sich inzwischen viele Fertighaushersteller in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) eine Sicherheit in Höhe von 100 Prozent des Werklohns – des gesamten Hauspreises – vertraglich zusichern“, erläutert Rechtsanwalt Freitag. Sie stützen sich dabei auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom Mai 2010. Damals standen die AGB einer Fertighausfirma auf dem Prüfstand und wurden vom BGH als zulässig beurteilt: Fertighaushersteller dürfen seither eine Sicherheit in der vollen Höhe des Hauspreises verlangen, die in Form einer sogenannten selbstschuldnerischen unbefristeten Bürgschaft gestellt werden muss.

Private Bauherren stellt die Vereinbarung einer solchen Bürgschaft vor enorme Probleme: Sie müssen nämlich eine Bank finden, die bereit ist, ihnen eine Bürgschaft im Gegenwert des Hauses zu gewähren – bei einem Hauswert von 300.000 Euro also nochmals 300.000 Euro. Dazu verlangt die Bank ihrerseits Sicherheiten. Das Grundstück taugt dazu nicht, denn das hat die Bank in der Regel bereits als Sicherheit für das eigentliche Hausdarlehen akzeptiert. Für die Bürgschaft fordert sie nun eine weitere Sicherheit. Die meisten Bauherren haben aber – außer dem bereits beliehenen Grundstück – keine weiteren Vermögenswerte, die sie der Bank als Sicherheit für die Bürgschaft anbieten könnten.

„Viele Baufirmen rechnen mit dem Engpass und bieten den Bauherren an, ihren Anspruch auf Auszahlung des Darlehens gegenüber der Bank an die Baufirma abzutreten“, erläutert Holger Freitag. Die Übertragung geht schnell und unbürokratisch. Die Baufirma holt sich nun das ihr zustehende Geld direkt von der Bank. „Das sieht komfortabel aus, birgt aber Risiken“, warnt der Anwalt: „Was ist, wenn die Baufirma insolvent wird? Oder, was viel öfter passiert, wenn sie schlecht arbeitet? Dann wäre es gut, die Bauherren hätten noch die Möglichkeit, Geld zurück zu halten, bis alle Mängel behoben sind. Weil viele dieser AGB genau diesen Sachverhalt nicht deutlich regeln, beschäftigt sich aktuell der Bundesgerichtshof mit diesem Thema. Der Ausgang des Verfahrens ist offen.“

„Das Abtreten des Auszahlungsanspruchs ist für Bauherren keine gute Lösung. Wer keine Bürgschaft bekommt, muss die Abtretung aber auch nicht akzeptieren.“ Holger Freitag rät: „In diesem Fall unbedingt noch einmal mit der Fertighausfirma verhandeln und einen ausgewogenen Abschlagszahlungsplan statt einer Sicherheit vereinbaren.“

Das wird besonders wichtig ab kommendem Jahr. Mit der Einführung des neuen Bauvertragsrechts, das für alle ab 1.1.2018 geschlossenen Bauverträge gilt, ändert sich vieles zum Guten für private Bauherren. „Eines aber nicht“, kritisiert der VPB-Vertrauensanwalt: „Ab diesem Zeitpunkt ist klargestellt, dass dann auch alle Schlüsselfertiganbieter eine Sicherheit für ihre Vorleistungspflicht verlangen dürfen. Wer keine Abschlagszahlungen nimmt, sogar über 100 Prozent!“ Angesichts der enormen Probleme, die normale Bauherren haben, um eine Bürgschaft zu bekommen, rät der VPB auch in Zukunft dringend dazu, ausgewogene Abschlagszahlungen zu vereinbaren. Holger Freitag dazu: „Das ist auch für die Baufirmen erheblich attraktiver, denn die Abschlagszahlungen erhalten ihre Liquidität und kosten keine Gebühren.“

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